Themenstichpunkte

Einst und Heute:  Der Zugriff der Stadt auf das grüne Umland

Leseprobe aus dem Vorwort: Kaum ein anderer Landschaftsteil ist in den vergangenen Jahrzehnten so schnellen und radikalen Veränderungen unterworfen worden wie die ursprünglich ländlichen Randzonen unserer Städte. Während die Kerngebiete der Städte sich langsam über die Jahrhunderte hin wandelten, indem sie Neuerungen mehr oder weniger respektvoll in ihre Struktur integrierten und so schrittweise Altes gegen Neues austauschten, war der moderne Zugriff der städtebaulichen Planungsvorhaben auf das grüne Umland großräumig und weitgehend frei…

Das Flensburger Stadtfeld durchlebt und spiegelt das Schicksal vieler urbanen Randzonen. Die wachsende Stadt setzte einen eingreifenden Wandel in Gang: Naturlandschaft wurde zu Agrarland, Agrarland zu Wohn- und Industriegebiet. 

Auf Grund seiner mageren Sandböden diente das südliche Flensburger Stadtfeld jahrhundertelang den Bürgern der Stadt als wenig nutzbare Allmende, es war unbewohntes Ödland.

Im 19. Jh. erfolgten die ersten Versuche, dem Land etwas abzuringen: eine Schäferei…  eine Branntweinbrennerei… bescheidene bäuerliche Anwesen.

Das weite, offene Gebiet war hingegen stets prädestiniert für die Zuwegung in die Stadt, so wurde es Transitort für alte und neue Wegenetze, für Überlandwege, für Eisenbahn- und Chausseebau  –  und für die Bahnsiedlung „Weiche“.

1903-1934 erfolgte ein weiterer, wenn auch noch moderater Zugriff auf die Fläche: Der städtische Betriebshof nutzte und bewirtschaftete vom Sophienhof aus ein wachsendes Flächenareal. In einer der Stadt dienenden Dreifachnutzung: als Kompostierort für die städtischen Fäkalien, als Verwaltungsstandort für die Müllabfuhr und Straßenreinigung mit ihrem ansehnlichen, pferdestarken Fuhrpark und als städtischer landwirtschaftlicher Betrieb.

Während der danach folgenden 30 Jahre, 1935-1966, unter Führung des Reichsnährstandes, später der Landwirtschaftskammer, wurde diese landwirtschaftliche Nutzung ausgeweitet und intensiviert. Der Ort erfuhr durch viele hundert Lehrgangsteilnehmer jährlich, durch Veranstaltungen und Besucherströme wachsende Aufmerksamkeit. 

Es war das expandierende Wachstum nach dem 2. Weltkrieg und damit verknüpft wiederum der Faktor Verkehr, der dem ein Ende setzte und neue Entwicklungen einleitete  –   durch den erforderlich gewordenen Bau der Westumgehung. 

Nun kam eine grundlegende Umstrukturierung des Agrargeländes in Gang, angefangen mit der isoliert „auf die grüne Wiese“ gesetzten Siedlung Hasenhof… 

Die Dreifachnutzung des ausgedehnten, 200 ha großen Sophienhof-Gebietes hat sich ausgebaut: das Wohngebiet wurde erweitert, das Gewerbegebiet hat nurmehr wenige freie Flächen und das Landschaftsschutzgebiet erlebt einen wachsenden Zustrom an Spaziergängern. Alle drei Bereiche sind verbunden durch einen altbekannten, ebenfalls flächenintensiven und für die Wahrnehmung dominierenden Faktor: den Verkehr.

Bilder von heute:   

Zum städtischen Betriebshof:

Wir nehmen heute saubere Straßen, Trinkwasserversorgung, Kanalisation und pünktliche Müllabfuhr als etwas Selbstverständliches hin. Doch der Weg dorthin war kein Selbstläufer, es war eine technische Neuerung nicht ohne Mühe. Noch in der 2. Hälfte des 19. Jh. kam es zu Choleraepidemien auch in Deutschland, weil in den rapide wachsenden Städten das Müll- und Kloakenproblem überhandnahm. 

Es ist der Teil unseres täglichen Lebens, den wir stets möglichst schnell aus unserer Wahrnehmung entfernen, es ist unsere „Kehrseite“ im wahrsten Wortsinn, untrennbar mit unserem täglichen Leben verbunden. Eine nicht unwichtige Etappe in der Geschichte des Sophienhofs widmet sich dieser uns allgegenwärtigen Frage. 

Mit ihr verknüpft ist das Rätsel der Porzellanscherben in den Maulwurfshügeln  –  und der heute lang vergessene „Kapito“-Dünger…

Heute ungewohnt vorzustellen ist, dass eine Stadt wie Flensburg bis in die Mitte des 20. Jh. hinein eine eigene städtische Landwirtschaft betrieb, mit komplexer Feldwirtschaft, Kühen, Schweinen, Schafen und Ziegen. 

Es ist eine Vergangenheit, die  –  nach Jahren gerechnet  –   nicht fern ist.

Zum Lehr- und Versuchsgut:

Die Lehr- und Versuchsanstalt begleitete mit ihrer Arbeit prüfend, lehrend und beratend die weitreichenden Wandlungsprozesse, die im Verlauf 20. Jahrhundert das bäuerliche Leben und die Produktion unserer Grundnahrungsmittel grundlegend verändert haben.

Die neuen Entwicklungen betrafen unterschiedliche Arbeitsfelder und sie wirkten  –  und wirken weiterhin  –  in die Gesellschaft, in unser aller Leben ein. 

Das erste, zentrale Arbeitsfeld war die Milch. Sie war durch die Hungerjahre während und nach dem 1. Weltkrieg zu einem essentiellen, unverzichtbaren Grundnahrungsmittel geworden  –  aber sie war anfällig für Verderb und Verunreinigungen. Die Schule war 1926 gegründet worden mit dem Auftrag, neues Wissen über angemessene Viehhaltung, Tiergesundheit, aber auch Milchhygiene und Milchkontrolle unter den neuen bakteriologischen Gesichtspunkten an die Bauernschaft zu vermitteln. Es wurden Viehhalter und Melker geschult, auch Milchkontrolleure.

Weitere bäuerliche Arbeitsfelder erfuhren Neuerungen  –   die Futterversorgung der Tiere, die Düngungsfragen u. a. Vor allem aber  –  alle landwirtschaftlichen Sparten betreffend   –  veränderte die Mechanisierung die landwirtschaftlichen Abläufe. Die Abschnitte „Vom Pferd zum Traktor“ und „Vom Handmelken zur Melkmaschine“  –  stehen für die ersten Schritte in einem inzwischen bis in die digitalisierte Vollautomation fortgesetzten Mechanisierungsprozess.

Die Institution des Sophienhofes arbeitete zeitweise vor einem dunklen, höchst belasteten Hintergrund, während der Zeit von 1935 – 1945, der Zeit des Nationalsozialismus. Die Quellenlage aus dieser Zeit ist im Allgemeinen wenig ergiebig. Aus privatem Nachlass konnten im Buch einige wenige Themen hinweisartig angesprochen werden. 

Ein Rundgang durch den alten und neuen Sophienhof:

Die Betrachtung schließt ab mit einem „Spaziergang“ über das Gelände des heutigen Sophienhofs. Es ist eine Spurensuche mit erinnernden und vergleichenden Bildern aus den 1930er, 40er, 50er Jahren. Dabei kann in vielen Details der Wandel, der sich vollzogen hat, anschaulich werden. Auch das umgebende Gelände wird aufgesucht  –   mit manchen lokalhistorischen Hinweisen.

Eine Kartenskizze (Grundlage: OpenStreetMap) gibt den größeren Teil der zum Sophienhof gehörenden Ländereien wieder und markiert die während des Rundgangs erklärten Lokalitäten im Gelände. 

Für den eigentlichen Hof (rot markierte Gebäude) existiert ein gesonderter Hofplan.